Der Katholikenrat erklärt zur Diskussion um die Frage des assistierten Suizids:
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom Februar 2020 den § 217 (Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Sterbehilfe) für verfassungswidrig erklärt. Es leitet aus dem Grundgesetz ein sehr weitgehendes Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben ab und hat damit in Deutschland eine breite Diskussion über den Umgang mit assistiertem Suizid ausgelöst. Für den jetzt anstehenden Gesetzgebungsprozess sind uns folgende Punkte wichtig:
- Die Suizidforschung zeigt, dass der Wunsch, sich das Leben zu nehmen nur selten Ausdruck einer autonomen Entscheidung ist. In den allermeisten Fällen handelt es sich um die Folge von
traumatischen Erlebnissen, Depression und dem Gefühl der Aussichtslosigkeit. Erforderlich ist in jedem Fall ein genaues Hinsehen, einfühlende Aufmerksamkeit und wertschätzende Nähe. Nicht die
Hilfestellung zum Suizid, sondern die Unterstützung bei der Entwicklung von Lebensperspektiven entspricht dabei der Würde des menschlichen Lebens.
- Eine große Gefahr besteht darin, dass durch die Möglichkeit des begleiteten Suizids Druck aufgebaut wird, insbesondere im Blick auf alte, kranke und schwache Menschen. Sie wollen anderen
nicht zur Last fallen und ziehen deshalb die Möglichkeit des assistierten Suizids für sich in Betracht. Ein solcher Druck in Richtung assistierter Suizid darf nicht ausgeübt werden. Wir setzen
uns ein für eine humane und solidarische Gesellschaft, in der niemand sich dafür rechtfertigen muss, dass er/sie lebt.
- Alle Anstrengungen müssen darauf gerichtet werden, bessere Möglichkeiten für ein erträgliches Lebensende zu schaffen. Das gilt insbesondere auch für die unmittelbare Phase des Sterbens.
Die Palliativversorgung und die Hospizarbeit leisten hier einen hervorragenden Dienst am Menschen, müssen aber öffentlich bekannter gemacht, gefördert und weiter ausgebaut werden. Ziel muss es
sein, Lebensqualität auch in der letzten Phase zu ermöglichen.
- Für Einrichtungen der Altenpflege, Hospize und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen muss es möglich bleiben, die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe im Sinne des „Wunsch- und Wahlrechts“
von Dienstleistungsnutzer*innen abzulehnen. Menschen müssen in Altenpflege- und Hospizeinrichtungen sicher sein können, dass sie von niemandem zur Selbsttötung gedrängt werden.
- Ein besonderes Augenmerk muss auch der Suizidprävention gelten. Angebote im Rahmen einer Suizidpräventionsstrategie müssen ausgebaut werden. Entscheidend ist auch die professionelle Hilfe
bei Depressionen. Gerade das Leben in dunklen Momenten, in der Verzweiflung oder in schwerer Krankheit behält seine Würde.
- Christliche Seelsorge geht unvoreingenommen auf Personen zu. Sie handelt nach dem Grundsatz, dass das Leben eines jeden Menschen ein Geschenk Gottes als dem Schöpfer des Himmels und der Erde ist, richtet sich auf die christliche Hoffnungsbotschaft aus und steht auf der Seite des Lebens. Das gilt auch für den Fall, dass um seelsorgliche Begleitung gebeten wird, wenn jemand sein Leben beenden will. Menschen, die sich für einen Suizid entscheiden, dürfen nicht verurteilt werden. Seelsorgende werden beim Vollzug des Suizids nicht behilflich sein. Seelsorgliche Begleitung jedoch ist einem Menschen, der durch Selbsttötung aus dem Leben scheidet, zu ermöglichen. Allerdings muss es immer die Gewissensentscheidung jedes/jeder Seelsorgenden bleiben, wie weit seine/ihre Begleitung geht.
Wir fordern daher, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu fassen, dass niemand zum assistierten Suizid gedrängt werden kann. Nur eine Regelung, die darauf ausgerichtet ist, entspricht der Menschenwürde, wie sie durch das Grundgesetz geschützt ist.